Die allermeisten Unternehmenskrisen beginnen in der Hochkonjunktur. Umfragen bei Insolvenzverwaltern belegen, dass frühzeitige Krisenerkennung und frühzeitiges Krisenmanagement die allermeisten Insolenzen verhindern hätten können. Die betriebliche Praxis zeigt allerdings, dass zu Boomzeiten die Aufmerksamkeit der Unternehmenslenker vor allem auf der Abwicklung der täglichen Anforderungen liegt und viel zu wenig auf der Vorsorge gegen mögliche Krisen. Lesen Sie im folgenden Artikel, welche Fehler häufig gemacht und nicht energisch genug bekämpft werden.
„Wenn es läuft, läuft es“ und „In Hochkonjunkturzeiten kann man eigentlich nichts falsch machen“ - würden Sie diese Aussagen so unterschreiben? In vielen Gesprächen mit Unternehmern sind mir diese Sätze mehr oder weniger wörtlich genannt worden.
Verständlich – der Kontostand stimmt (noch), die Auftragslage stimmt, die einzigen Probleme bestehen darin, die Aufträge halbwegs termingerecht abzuarbeiten. Aber wenn man weiter denkt, wird eines klar: die allerallermeisten Krisen beginnen in der Hochkonjunktur! Warum?
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1. Vernachlässigung Working Capital
Die Produktvielfalt steigt, die Lagerbestände steigen – man will ja den Kunden umfassend und termingerecht beliefern können. Grundsätzlich nichts schlechtes – und in Zeiten, in denen einem die Waren oder Dienstleistungen quasi aus den Händen gerissen werden auch nicht direkt ein Problem. Es kann allerdings schnell zum Problem werden, da dadurch die Kapitalbindung steigt.
Wer nicht genügend Reserven hat, wird das schnell merken. Insbesondere wenn in Verbindung mit einem unzureichenden Forderungsmanagement nicht für einen schnellen Mittelrückfluss gesorgt wird.
2. Zu schnelle Expansion
Wachstum kostet Geld. Das ist eine alte Weisheit. Und eine Weisheit, die oft nicht beachtet wird, wie viele Beispiele zeigen. Wer wachsen will, muß investieren. Auch organisches Wachstum am vorhandenen Standort will finanziert sein, siehe u.a. Ziffer 1. Wer es zulässt, dass seine Kapitalbindung stärker steigt, als sein Cash Flow dies zulässt, bekommt ein Liquiditätsproblem.
Wer rechtzeitig vorsorgt, und mit seinem Wachstumsplan für eine ausreichende Finanzierung sorgt, hat gewonnen. Wer ohne Plan jeder sich ergebenden Chance nachrennt, ohne die dazu notwendigen Reserven zu haben, wird verlieren.
3. Keine strategische Personalentwicklung
In Hochkonjunkturzeiten ist gutes Personal knapp. Die Auftragslage entwickelt sich stark aufwärts, es sind keine Mitarbeiter da, die die Aufträge bewältigen können. Was tun? Eine verbreitete Methode: jeder der kommt, wird eingestellt! Nach einer kurzen Einarbeitung wird er oder sie voll in den Produktionsprozess eingebunden. Qualitätsprobleme, Zusatzkosten durch Nacharbeit, steigende Reklamationsquoten sind die Folgen.
4. Statische Prozesse
Wer als kleiner Handwerksbetrieb beginnt und erfolgreich arbeitet, kann in konjunkturell günstigen Zeiten ganz schnell ein kleiner (oder großer) Industriebetrieb werden. Diese Betriebe arbeiten oftmals nach vermeintlich altbewährtem Muster in den handwerklichen Strukturen weiter. Dadurch werden aber durch die Überlastung des Chefs Entscheidungen verlangsamt, es entstehen Abstimmungsprobleme, die Flexibilität sinkt. Damit hat sich dann im Normalfall das Wachstum auch schon wieder erledigt. Leider
5. Ziele werden aus den Augen verloren
„Er sieht den Wald vor lauter Bäumen nicht“ - sind Sie auch schon mal in dieser Situation gewesen? Man reagiert statt zu agieren. Anfragen werden abgearbeitet, Aufträge werden bedient. Man hat keine Zeit mehr, um an die ursprünglichen Ziele und Ideen zu denken, geschweige denn, diese weiter zu entwickeln. Die Produktpalette ufert aus, die Kundenstruktur zerfleddert –
Belastungen und Abhängigkeiten entstehen.
6. Aufbau von überhöhten Fixkostenblöcken
Die Preise stimmen, die Kalkulation scheint einfach. In guten Zeiten frägt keiner nach den Kosten. Das wäre alles kein Problem, doch leider handelt es sich bei den steigenden Kosten nicht nur um variable Kosten, die im Falle rückläufiger Auftragseingänge sich ebenfalls rückläufig bewegen. Maschinen kosten auch in schlechten Zeiten Zinsen und Abschreibung, das Kapital bleibt
gebunden. Ein Verkauf von gebrauchten Maschinen in konjunkturschwachen Zeiten dürfte meist auch nicht sinnvoll sein. Personalabbau ist nicht schnell genug möglich. Langfristige Mietverträge für Lagerhallen können nicht gekündigt werden. Die Kosten bleiben demnach langfristig hoch.
7. Sinkende Marktanteile trotz Umsatzsteigerung
Der Betrieb wächst und gedeiht – vermeintlich. Denn der Markt wächst schneller. Was ist passiert? Im günstigsten Falle wird Cash Flow und Wachstumsfinanzierung streng aufeinander abgestimmt, Auftragseingänge werden nur angenommen, wenn die Bedingungen stimmen und alles innerhalb der machbaren Entwicklungsgrenzen liegt. Leider ist dies nicht der Normalfall. Normalerweise verliert man Marktanteile, wenn die Forschung und Entwicklung vernachlässigt wird, wenn die
Qualität sinkt oder nur gleich bleibt, sprich wenn man Marktentwicklungen verschläft und damit gegenüber den Mitbewerbern abfällt.
8. Unzureichendes Controlling
Kennen Sie Ihre Kostentreiber? Ist Ihnen jeder Prozessschritt in Ihrem Unternehmen auch von der Kostenseite bewusst? Wissen Sie, wie viel Sie an jedem einzelnen Produkt verdienen? Kennen Sie den Deckungsbeitrag Ihrer wichtigsten Kunden? Wie wollen Sie auf Veränderungen reagieren, wenn Sie die wichtigsten Entscheidungsgrundlagen nicht kennen? Sind Sie sich bewußt, dass Sie eigentlich Änderungen vorweg nehmen sollten, um als Unternehmer langfristig erfolgreich sein zu können?
9. Duldung von Abhängigkeiten in der Kapialbeschaffung
Wir haben verstanden – Wachstum kostet Geld. Schnelles Wachstum erfordert mehr Geld, als der aktuelle Cash Flow erwirtschaften kann. Eigene Mittel reichen nicht, daher erfolgt der Gang zu Bank. Eine gute und vertrauensvolle Beziehung zur Hausbank erleichtert den täglichen Ablauf, vereinfacht viele Vorgänge. Ein kurzer Anruf genügt, die Linie wird kurzfristig erweitert. So weit so gut. Was aber, wenn aus irgendwelchen Gründen mal etwas nicht so 100 %ig und so kurzfristig
klappt, wie es notwendig wäre? Haben Sie auf die Schnelle ausreichende Beziehungen zu anderen Kapitalquellen?
10. Unaufmerksamkeit gegenüber Krisensignalen
Wer damit zu kämpfen hat, die täglichen Probleme, die sich in Folge einer boomenden Auftragslage ergeben, zu bewältigen, hat kein Auge frei, um auf Krisensignale zu achten. Erkennbare Probleme werden unterschätzt oder durchaus auch schön geredet – unter anderem auch deswegen, weil es an kompetenten Sparringspartnern fehlt. Leider ist dies die Regel bei Betrieben, die nachher tief in der Krise stecken. Wer rechtzeitig die Zeichen erkennt, kann frühzeitig gegensteuern. Die allermeisten Invsolvenzfälle wären vermeidbar gewesen, wenn sich die Verantwortlichen im Boom mehr Zeit dafür genommen hätten, Signale zu erkennen und Probleme zu beseitigen.
Mehrere Umfragen unter Insolvenzverwaltern haben immer ein eindeutiges Ergebnis erbracht: die meisten Insolvenzen wären vermeidbar gewesen, wenn die Verantwortlichen rechtzeitig die Anzeichen für eine beginnende Krise erkannt hätten und die frühe Chance für konkrete Maßnahmen zur Abwendung dieser gefährlichen Situation genutzt hätten. Seien Sie also gespannt auf meinen nächsten Artikel „Krisenwarnsignale“, um sich noch besser gegen eventuelle Probleme zu wappnen!